Vollbremsung im 2020
Blicken wir mal ein gutes Jahr zurück: Im Sommer 2020 waren die Corona-Fallzahlen soweit zurückgegangen, dass wir unseren Probebetrieb wieder aufnehmen konnten und über die Sommermonate sogar einige Platzkonzerte und Ständli spielen durften. Wir waren zuversichtlich, dass wir unseren Probebetrieb, wenn auch mit einigen Einschränkungen, grundsätzlich durchziehen und uns auf ein besonderes Winterkonzert vorbereiten können. Dann kam die unschöne Überraschung: Ende Oktober 2020 verschärfte der Kanton Bern (und später auch der Bund) seine Vorgaben für Zusammenkünfte so massiv, dass wir unsere Probeaktivitäten auf unbestimmte Zeit einstellen mussten.
Angemessene Reaktion?
Fordern sie mal einen Trompeter auf, auf seinem Instrument spielend, eine Kerze auszulöschen. Er kann noch so laut „röhren“, er wird es kaum schaffen (ausser mit einem Trick, und den verrate ich erst weiter hinten im Text). Bedeutet das jetzt, dass beim Musizieren die Aerosolbelastung gering, die potentielle Virenübertragung unwahrscheinlich und die Einschränkungen für die Blasmusikvereine damit unverhältnismässig waren? Zahlreiche Studien in Zusammenarbeit mit professionellen Orchestern wurden zu diesem Thema durchgeführt. Die detaillierten Resultate können sie selber im Internet nachlesen. Fakt ist, dass wir uns während einer Probe mit rund 60 Personen rund zwei Stunden im selben Raum aufhalten. Dabei wird nicht nur musiziert sondern auch geredet, (gehustet,) diskutiert, erklärt und zwischendurch gerne auch mal herzlich gelacht. Und Blasmusik mit einer Gesichtsmaske funktioniert nun mal nicht. Zudem gehört das gemütliche Zusammensein vor und vor allem nach dem Musikalischen ebenso zum Vereinsbetrieb. Und, sind wir ehrlich, ohne Aussicht auf ein öffentliches Konzert mit mehr als einer Handvoll Zuhörer, schwindet die Motivation fürs Üben rasch und deutlich. Deshalb war die Einstellung des Probebetriebs wohl unvermeidlich.
Dabei befinden wir uns im Musikverein Interlaken Unterseen (und in der Jugendmusik Unterseen) eigentlich in einer äusserst privilegierten Situation: Unser Probelokal ist mit über 350m2 Grundfläche so gross, dass wir unsere Formation mit 2 Metern Abstand in alle Richtungen für Jeden aufstellen können. Am gleichen Tag, als der Probebetrieb eingestellt werden musste, hatten fleissige Mitglieder bereits automatische Fensteröffner für die in drei Metern Höhe gelegenen Fenster montiert, so dass wir die Luftqualität unter Kontrolle halten können. Zusammen mit unserem Schutzkonzept, dem Reinigungskonzept, den Desinfektionsmöglichkeiten, Gesichtsmasken, Einlassregeln usw. können wir auch sehr weitreichende Anforderungen und Auflagen umsetzen.
Wir müssen aber auch anerkennen (und darauf sind wir eigentlich stolz), dass wir unter unseren über 60 Aktivmitgliedern die unterschiedlichsten Alters-, Berufs-, Familien- und vor allem Gesundheitssituationen haben. Rücksichtnahme, Toleranz, Vertrauen, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung leben wir im Musikverein nicht nur seit Corona, sondern sind zentrale Bestandteile eines jeden Orchesters und sind fürs Musizieren unerlässlich. Nur gemeinsam schaffen wir unser Ziel, erreichen wir den ausgewogenen Orchesterklang, bringen wir Harmonie und Emotionen in ein Musikstück, können damit tolle Konzerte geben und hoffentlich unsere Zuhörer begeistern. Insofern wenden wir nun lediglich diese Grundwerte auf die Bewältigung der Corona-Situation in unserem Vereinsbetrieb an. Ist dies einfach? Sicherlich nicht immer, aber das Einstudieren unseres Konzertprogramms und die Organisation des Vereinsbetriebs ist ja auch nicht immer einfach. Wir wachsen gemeinsam an unseren Herausforderungen.
Eine laaaange Winterpause
Mit der Vorgabe des Bundes zur Vermeidung von Zusammenkünften wurde der Vereinsbetrieb auf ein Minimum zurück gefahren. Vorstandssitzungen fanden über Videokonferenzen statt und die Kommunikation mit den Mitgliedern erfolgte per E-Mail. Auf die Durchführung einer Vereinsversammlung wurde ebenso verzichtet wie auf die verschiedenen nicht-musikalischen Anlässe wie Altjahrshöck, Skitag oder Jassturnier. Auch unsere Hauptversammlung musste auf schriftlichem Weg stattfinden, was für den Vorstand einen weiteren zusätzlichen administrativen Mehraufwand bedeutete.
Als im Verlaufe des Frühlings zumindest die Jugendmusiken ihren Probebetrieb unter Auflagen wieder aufnehmen konnten, keimte ein wenig Hoffnung auf, dass es auch bei uns bald soweit sein könnte. Leider stiegen die Fallzahlen nach einem hoffnungsvollen Februar ab März wieder an und so wurden die Wiederaufnahme des Probebetriebs und damit die ersten Konzerte und Anlässe immer weiter nach hinten verschoben.
Der musikalische Frühling im Juni
Ende Mai erhielten wir erstmals seit langem positive Neuigkeiten. Nach über sieben Monaten Zwangsunterbruch konnten wir am 4. Juni den Probebetrieb wieder aufnehmen, wenn zu Beginn auch nur in Registern mit maximal 15 Personen. Ich glaube, alle waren etwas nervös, wie der Wiederbeginn anläuft. Kommen die Leute zurück in die Probe? Wer hat in der vergangenen Zeit wie viel geübt und wie tönt das Zusammenspiel nach so langer Zeit ohne gemeinsames Musizieren? Hat die Freundschaft zu den Vereinskolleginnen und –kollegen gelitten oder verstehen wir uns immer noch gleich gut wie zuvor? Muss ich mir beim Probebesuch Sorgen machen um meine Gesundheit oder die Gesundheit der Anderen? Um es kurz zu beantworten: Alle Ängste waren unbegründet (vielleicht ausser den Bedenken vor dem „Klang“ unserer Musikformation nach so langer Spielpause…). Das Zusammenhalt im Verein ist stärker als Einschränkungen durch das Virus; die Freundschaften überwinden jeden Sicherheitsabstand und jede Schutzmaske und lassen sich auch von Desinfektionsmittel nicht wegwischen.
Das derzeitige neue Normale
Spätestens mit den ersten Auftritten im Rahmen der Bundesfeier und vor dem 3a hat die musikalische Freude wieder Überhand genommen und die Vorbereitungen für ein halbwegs normales zweites Vereinshalbjahr wurden gestartet. So proben wir, zwar noch nicht ganz in alter Spielstärke aber vollmotiviert, an unserem Repertoire fürs Winterkonzert. Zahlreiche neue Musikantinnen und Musikanten ergänzen unsere Formation und auch die 3G-Vorgaben des Bundes für Zusammenkünfte mit mehr als 30 Personen haben wir in unserem Schutzkonzept untergebracht. Jetzt hoffen wir natürlich, dass auch Sie uns an unserem Winterkonzert besuchen und damit mithelfen, zur musikalischen Normalität zurück zu kehren. Wir zählen auf Sie und freuen uns auf ihren Besuch.
Zum Schluss
Ich spreche sicher im Namen aller Vereinsmitglieder, wenn ich bei dieser Gelegenheit unserer Vereinsführung, dem Vorstand und der Musikkommission, einen grossen Dank ausspreche, für ihre anspruchsvolle, aussergewöhnliche Arbeit in dieser schwierigen Zeit voller Ungewissheit und ohne Planungssicherheit. Ihr habt das sehr gut gemacht!
Markus Inäbnit, Trompete
Übrigens: um eine Kerze mit einer Trompete auszumachen, öffnet man am einfachsten die Wasserklappe über der Kerze und löscht mit der Flüssigkeit die Flamme.