Eine schweizerisch-holländische Symbiose
Das Publikum bekam am Sommerkonzert einen Eindruck vom Programm der Stadtmusik Unterseen und MG Interlaken am kantonalen Musikfest in Aarwangen. Stark war der Auftritt der Bödeler – extrastark jener der Gäste aus dem niederländischen Teteringen.
Zum Anfang und zum Schluss ein Marsch, dazwischen das Selbstwahl- und das Aufgabenstück für das kantonale Musikfest in Aarwangen, sowie zwei unterhaltende Werke aus dem sinfonischen Bereich: Grob lässt sich das Programm der Stadtmusik Unterseen und der Musikgesellschaft Interlaken am Sommerkonzert in diese drei Teile zusammenfassen. Dirigent Markus Graf eröffnete mit seinem Orchester mit dem luftigen Konzertmarsch «Wellington», arrangiert vom Niederländer Gert Buitenhuis, und leitete sodann zum ersten grossen Brocken über: «Etosha» lautet die Auftragskomposition, welche jeder Musikverein einstudieren muss, der am kantonalen Musikfest in Aarwangen in der 2. Stärkeklasse Harmonie antritt – also auch das vereinigte Orchester Unterseen-Interlaken. Komponist Armin Kofler hat sich für etwas Afrikanisches entschieden: Etosha ist der Name des Nationalparkes von Namibia. Im Stück wähnt man sich auf einer Safari-Tour, man hört hier ein paar Vögel zwitschern, dort eine Schlange anschleichen und sieht nebenbei auch noch die Sonne aufgehen am Horizont der Wüste. Darin verpackt der Komponist nebenbei auch noch alles, was typisch ist für ein Wettbewerbs-Aufgabenstück: Solistische Passagen, Tempowechsel, anspruchsvolle Rhythmen – die Musikanten sollen schliesslich zu feilen haben. Alles in allem brachten die MGI und die Stadtmusik Unterseen die Idee des Stücks gut rüber. Und das Maximum soll ja nicht schon beim Sommerkonzert, sondern in Aarwangen erreicht werden.
Bürki schöpft aus dem Vollen
Die Musikanten haben sich für Mario Bürkis «Terra Pacem» als Selbstwahlstück entschieden, geleitet von Bruno Aemmer. Ein eher düsteres, melancholisches Werk. Bürki thematisiert darin den Herzschlag der Erde, die Unerreichbarkeit des Wunsches nach Frieden, und er war sogar kreativ genug, folgende Beschreibung zu vertonen: «Die Absolution, welche im religiösen Kontext nötig ist, um den inneren Frieden zu erlangen» (Werkbeschreibung). Später geht es auch noch um Aggressionen und Wut, und ganz zum Schluss hört man nochmals einen Herzschlag. Das schwere Werk wird aufgelockert durch Soli von Euphonium und Altsaxophon, was die Stärken des Orchesters zum Vorschein bringt. Die Stadtmusik Unterseen und die Musikgesellschaft Interlaken meisterten «Terra Pacem» hervorragend – möglicherweise war der Stein, der den Musikanten vom Herzen fiel, so gross, dass sich damit die Intonationsschwierigkeiten erklären lassen, welche im Folgestück «Tancredi» Einzug hielten. Die vereinigte Musikgesellschaft beendete ihr Programm mit einem Potpourri der Musik von «Les Miserables» und zeigte dazu Bilder des Films auf einer Leinwand. Sinnbildlich war das Schlussbild mit den Hauptcharakteren Marius Pontmercy und Cosette: Zwei, die sich gefunden haben. Das gilt auch für die Interlakner und Unterseener Musikanten, welche eine gemeinsame Uniform anschaffen wollen und am Konzert mit einer Werbeaktion aufzeigten, dass dies ein teurer Spass ist: Rund 1500 Franken kostet eine vollständige Uniform pro Musikant, und die Formation zählt rund 70 Mitglieder. Man rechne.
Höchstklasse-Blasmusik
Nach den Zugaben, dem «Solothurner Marsch» und dem «Colonel Bogey March» überliess das Orchester den Gästen aus Holland die Bühne: Die Harmonie Euphonia Teteringen steht unter der Leitung von Römanö Mediati, einem guten Freund der Dirigenten Graf und Aemmer, der immer wieder in die Schweiz reist, um mit den Unterseenern und Interlaknern zu proben. Diesmal brachte der professionelle Dirigent seinen eigenen Verein mit. Hier wird nichts dem Zufall überlassen: Die Harmonie Euphonia Teteringen besteht aus drei Truppen: Dem Einstiegsorchester, der zweiten Formation sowie dem «Groot Orkest». Jedes Mitglied hat zuerst in den beiden ersten Formationen ein Diplom abzuholen, bevor es in das «Grosse Orchester» wechseln darf. Mit dem Resultat, dass im «Groot Orkest», welches in Interlaken zu Gast war, absolute Höchstklasse-Blasmusik gespielt wird, die keiner weiteren Beschreibung bedarf.
Jedem, der den Auftritt der Harmonie Euphonia Teteringen in der Aula der Sekundarschule Interlaken miterlebte, wurde wieder einmal vor Augen geführt, welches Niveau möglich wäre, wenn der Ehrgeiz nicht auf der Strecke bleibt. Die Holländer haben den Rhythmus verinnerlicht, ebenso die Intonation, und führen all das mit einer beispiellosen Spielfreude auf. Im Programm stachen die «Second Suite for Band» sowie die «Phil Collins Collection» hervor. Den Niederländern zuzuhören, machte einfach Spass. Der Auftritt der Musikanten von SM Unterseen und MG Interlaken soll nicht geschmälert werden, aber auch sie dürften anerkennen, dass an diesem Konzertabend das Beste ganz zum Schluss kam.