Nach 238 Jahren gemeinsam nach oben
Von der ungemütlichen Konkurrenz zur gemeinsamen Harmonie: Die Blasmusikvereine von Unterseen und Interlaken haben am Samstagabend die seit Jahren geduldig aufgegleiste Fusion vollzogen. An der Hochzeit wurde gelacht, verbrüdert, gesungen und ein bisschen gutmütig-nostalgisch gestichelt.
«Herzlich Willkommen zur Hochzeit», sagte Alt Regierungsstatthalter Walter Dietrich mit einem gewissen Pathos zur Eröffnung des Abends im Panorama-Restaurand Harder-Kulm. Die Stadtmusik Unterseen und die Musikgesellschaft Interlaken hatten am Samstagabend zu einer sehr besonderen Versammlung eingeladen. Fast 100 Musiker und Verbundene waren dem Ruf gefolgt. Die ehemaligen Konkurrenten trafen sich nach fast zehn Jahren akribischer Vorbereitung zur Fusion. Unter den Gästen befand sich auch eine beeindruckende Delegation aus den Gemeinderäten Unterseen und Interlaken: Die beiden Stadtpräsidenten und drei Gemeinderäte von Unterseen erhielten ihren eigenen Tisch. Zur Leitung der Gründungsversammlung wurde Walter Dietrich mit Einstimmigkeit berufen, wohl weil er sich als Aussenstehender trotzdem bestens mit der Materie auskannte. Mit sichtlicher Freude führte er nach der Begrüssung um 17.15 Uhr zügig durch die Traktanden, bis um 17.29 Uhr ohne Gegenstimmen, dafür mit einem euphorischen Applaus und La-Ola-Wellen, die Geburt des Musikvereins Interlaken Unterseen besiegelt war. Zum Präsident gewählt wurde der ehemalige Präsident der Musikgesellschaft Interlaken, Markus Inäbnit, das Vizepräsidium übernimmt Sandra Hodler, die ehemalige Vize-Präsidentin der Stadtmusik Unterseen. Danach konnten noch drei Neuzugänge begrüsst werden.
Phönix aus der Asche
Das Verhältnis der durch die Aare getrennten ehemaligen Harmonien war in früheren Jahren, gelinde gesagt, nicht immer von gegenseitiger Wertschätzung geprägt: 1887 waren einige Interlakner aus der gemeinsamen Musikgesellschaft Unterseen-Interlaken ausgetreten und gründeten die Blechmusikgesellschaft Interlaken. Kurze Zeit darauf ging die Restgruppe ein, 1904 wurde die Stadtmusik Unterseen gegründet. Mit einer solchen Vergangenheit wundert es bei zwei Formationen mit ähnlichem Aufbau, ähnlichem Repertoire und einem gesunden Konkurrenzgeist nicht, dass es immer wieder zu Reibereien kam. An der Gründungsversammlung kam der neue Präsident Markus Inäbnit nicht ganz umhin, sich auf diese Zeiten zu beziehen. «Man kannte sich gegenseitig, und wenn sich jemand auf die falsche Seite der Aare verirrte und entdeckt wurde, wurde dieser Jemand kurzerhand 'brunnetröglet'.» Beeindruckend, wie sehr die geduldige Arbeit einiger Visionäre diese Misstöne aus der Welt schaffen kann. Bereits in einem Monat, am Samstagabend, 30. Mai, präsentiert sich der neue Musikverein anlässlich des Sommerkonzerts zum ersten Mal. An diesem Abend wird auch das gut gehütete Geheimnis gelüftet, wie die neue Uniform aussieht.
Musikverein Interlaken Unterseen
Der Musikverein Interlaken Unterseen umfasst 80 Aktivmitglieder, 55 stimmberechtigte Ehrenpassivmitglieder, 449 Passivmitglieder und 102 Gönner, gesamt also 686 Mitglieder.
Kurzansprache von Jürgen Ritschard, Stadtpräsident Unterseen:
Heute ist ein sehr besonderer Tag, das dokumentieren wir auch mit der Präsenz von vier unserer Gemeinderäten, wir könnten eigentlich hier oben rechtsgültige Beschlüsse verabschieden. Zur Feier der Gründungsversammlung des Musikvereins Interlaken Unterseen ist der Harder der ideale Ort, ich bin froh, haben wir die Rede nicht unten in Interlaken gehalten, dort würde uns nämlich Urs Graf begrüssen (Gelächter). Hier auf Unterseener Boden mache ich das jetzt eben. Ich gratuliere zu diesem mutigen Schritt, den ihr in den letzten Jahren vorbereitet habt. Vielleicht haben nicht alle Freude an diesem Zusammenschluss gehabt, doch die Einstimmigkeit heute Abend hat etwas anderes gezeigt. Falls es noch Skeptiker haben sollte, hoffe ich, dass sie die Grösse haben, mit dieser neuen Lösung zu leben und der neuen Vereinsspitze eine Chance zu geben und gemeinsam am Karren zu ziehen. Das geht schon, «Rameliböck» und «Stedtlichöpf» (Gelächter). Es ist ein wichtiger Schritt für die Zukunft, den ihr gemacht habt, ihr passt euch an, es gibt immer weniger Musikantinnen und Musikanten. So könnt ihr, hoffe ich, Qualität in einer personell starken Formation bieten.
Ich will meine Ausführungen nicht mit weitschweifenden Visionen verknüpfen, aber eines will ich euch mitgeben: Die Erkenntnis, dass Aufgaben, Ansprüche und Erwartungen auf lange Sicht zusammen besser erfüllt werden können als im Alleingang. Ich bin überzeugt dass die zwei Vorgängergesellschaften, die Mühe hatten, genügend Leute zusammenzubringen, heute genau den richtigen Schritt gemacht haben. Eine beachtliche Leistung ist der lange Weg zum Zusammenschluss, das grosse Fingerspitzengefühl und die Geduld aller Beteiligten. Wir hoffen, dass der heutige Anlass eine Ausstrahlung entwickelt und die Bevölkerung auf dem Bödeli zum Nachdenken bringt, was man hier alles zustande bringen könnte. Es könnte ja sein, dass wir auch auf anderen Gebieten, nicht nur beim Kaninchenzüchterverein, uns zusammentun können, um die Aufgaben der Zukunft, die sicher nicht einfacher werden, gemeinsam zu lösen. Gemeinderat und Bevölkerung wünschen euch viel musikalische Höhenflüge, Erfolge und gute Kameradschaft. Danke für euer riesiges Engagement und die Einladung, die wir mit vier Gästen aus dem Gemeinderat gut ausgeschöpft haben. Und jetzt übergebe ich gerne das Wort an Urs Graf, den Gemeindepräsidenten von Interlaken, mit dem ich immer sehr gut zusammenarbeiten kann (Gelächter).
Kurzansprache von Urs Graf, Gemeindepräsident Interlaken:
Ich hatte mich schon gefragt, wie sehr ich hier oben in Unterseen willkommen sein werde. So sind unsere Spielregeln, ich habe jetzt auch sehr gut zugehört, was gesagt wurde. Im Namen des Gemeinderats Interlaken herzlichste Gratulation. Das war nur mit viel Sachverstand und Sensibilität zu machen. Die Stimmung heute Abend zeigt, dass ihr alle wirklich zusammengewachsen seid. Jetzt muss ich noch ein bisschen etwas in eigener Sache sagen, mit einem Augenzwinkern. Der Gemeinderat Interlaken wäre natürlich mit mindestens vier Leuten hier oben (Gelächter), aber auf der Einladung hiess es: «Sehr geehrter 'Herr Graf', wir freuen uns über 'Ihre' Teilnahme» und Anmeldungslinien hatte es genau eine. Aber wir lernen gerne von unseren Freunden aus Unterseen, riskiert es bloss nicht noch einmal, uns einzuladen (schallendes Gelächter). Heute Nachmittag habe ich in meiner Combox eine Nachricht vom Stadtpräsidenten Unterseen gesehen und dachte: «Das muss ich jetzt wohl abhören, das kann ich wohl nicht auf den Montag verschieben», so funktioniert unsere Zusammenarbeit. Jetzt offerieren Unterseen und Interlaken zusammen den Apéro. Danke für die Einladung und euer unheimlich grosses Engagement, wir sind alle ganz sicher, dass ihr eine irrsinnig erfolgreiche Zukunft vor euch habt.